GRAUSPECHTE - Besuch der Senckenbergischen Gesellschaft für Naturforschung

 

Eine Exkursion der besonderen Art wurde uns durch eine Einladung des Leiters der Entomologischen Sammlungen der Senckenbergischen Gesellschaft für Naturforschung ermöglicht. Wir konnten somit einen Einblick in die „heiligen Hallen“ der Sammlungen nehmen und waren gespannt welche seltenen Exponate zu sehen wären.

Die naturhistorischen Sammlungen sind die größte und bedeutendste Forschungsinfrastruktur Senckenbergs. Sie repräsentieren mit rund 40 Millionen Zähleinheiten die größte naturhistorische Sammlung Deutschlands und vermutlich die sechstgrößte weltweit.

Die sehr umfangreichen Daten aus diesen Sammlungen stellen die Basis jeder taxonomisch-systematisch, ökologisch, biogeographisch oder biostratigraphisch ausgerichteten Grundlagenforschung wie auch angewandter umweltrelevanter Forschung dar. Die Sammlungen dokumentieren somit die Veränderung der Biodiversität, sei es durch Evolutionsprozesse oder menschengemachte Umgestaltung der Lebensräume.

 

20221207 135322J.C. Senckenberg, Gründer des Naturkundlichen Museums20221207 110030GRAUSPECHTE im Senckenberg-MuseumDer Leiter der entomologischen Sammlung, Dr. Viktor Hartung, begrüßt uns und gibt uns einen Überblick über den heutigen Ablauf. Die entomologische Sektion wurde 1822 von entomologisch interessierten Frankfurter Bürgern unter Vorsitz von Carl von Heyden (1793–1866) gegründet. Sie wurde von freiwilligen ehrenamtlichen Sektionären betreut, bis schließlich im Jahr 1919 die erste bezahlte Teilzeitstelle geschaffen wurde, die mit demweltbekannten Lepidopterologen Adalbert Seitz (1869–1938) besetzt wurde.

 

 

 

 

 

Die Entomologie I beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den Käfern (Coleoptera), Thripsen und Fransenflüglern (Thysanoptera). Von den in Mitteleuropa vorkommenden 400 Arten leben 230 in Deutschland.

Die Entomologie II beschäftigte sich im Schwerpunkt mit den Schmetterlingen (Lepidoptera).

Die Zahlen über die Objekte in den zwei Sektionen waren schon beeindruckend, aber die Erfassung der einzelnen Arten, auch die der weiteren Sektionen, hätte unsere Aufnahmefähigkeit doch überfordert. So befassten wir uns konzentriert mit seltenenExponaten.

 

20221207 110649ArchivSammlungen sind als Archive des Lebens anzusehen, die auf zahllose Fragen Antworten bereit halten. Ihre ökologische Archivfunktion bezieht sich auf eine bestimmte Situation an einem Ort und zu einer bestimmten Zeit.

Das Archiv ermöglicht es Wissenschaftlern (national und international) Objekte zu identifizieren und zu vergleichen. Typische Merkmale werden taxonomischen Einheiten zugewiesen über deren Umgrenzung man sich (in der wissenschaftlichen Taxonomie) geeinigt hat. So können die Sammlungsobjekte nach frühere Aussagen in das heutige wissenschaftliche Koordinatensystem eingemessen werden.

 

 

 

 

 

 

P1000028coleopeterorum catalogusZu Beginn der wissenschaftlichen Erfassung schrieb man die Dokumentation in Listen, die coleopeterorum catalogus.

Z.Zt. läuft ein Projekt das die Sammlungen digital erfassen soll. Somit werden die Bestände für Zwecke internationaler Forschung leichter verfügbar. Die Objekte werden in einem 3D-Verfahren gescannt und können somit auf einem PC naturgetreu analysiert werden. Dies ist, was den Aufwand der Analyse und Vergleichbarkeit angeht, ein erheblicher Vorteil.

 

 

 

 

 

20221207 110939Sammlung100 Sammlung Hymenoptera HautflüglerSammlung Hymenoptera Hautflügler20221208 092520Sammlung Hymenoptera HautflüglerDann ging es in die Räume mit den Archiven, die nicht nur räumlich sondern auch gegen den Befall vor Schädlingen besonders geschützt sind. Erstaunlicherweise, so Viktor Hartung, entdecken die Wissenschaftler auch heute noch in den Sammlungen Arten, die bis dato unbekannt, also keiner taxonomischen Ordnung zugewiesen sind. Das macht die Arbeit noch spannender.

 

 

 

 

In der der Entomologie I befinden sich etwa 1,7 Millionen genadelte Käferexemplare aus allen Regionen der Welt. 6542 Arten sind durch Holo-, Lecto- oder Paratypen vertreten. Käfer besiedeln die meisten Lebensräume auf der Erde, und es gibt praktisch keine organische Nahrungsquelle, die nicht durch sie erschlossen wird.

Die hier gezeigten Käfer sind eine winzig kleine Auswahl aus dem Bestand. Sie lassen erkennen wie farbenfroh und aussergewöhnlich Exemplare sein können. Wissenschaftliche Beschreibungen würden an dieser Stelle zu weit führen. Einige Informationen habe ich, soweit nachvollziehbar, angefügt.

Taxonomische Sammlungsschwerpunkte bilden die Familien Bockkäfer oder Cerambycidae, Taumelkäfer oder Gyrinidae, Eucnemidae oder die Rüsselkäfer oder Curculionidae. Sie stammen aus diversen Privatsammlungen.

20221207 12211920221207 12203720221207 122101Die Käfer (Coleoptera) bilden mit etwa 400.000 beschriebenen Arten die größte Insektenordnung. Sie kommen auf allen Kontinenten außer der Antarktis vor. In Mitteleuropa gibt es ca 8.000 beschriebene Arten. Sie sind an den versteiften Vorderflügeln (Flügeldecken, Elytren) erkennbar, die im Ruhezustand die darunter liegenden zarten Hinterflügel vor mechanischer Beschädigung schützen.

 

 

 

 Riesnbockkäfer titanus giganteus P1000009RiesnbockkäferP1000062Fast so lang wie die Hand eines Erwachsenen ist dieser Riesenkäfer (titanus giganteus) aus dem tropischen Regenwald Südamerikas.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

P1000020P1000027Diese glänzenden Käfer stammen aus den Hügelland von Sumatra/Indonesien. Andere Sammlungen haben weitere geografische Schwerpunkte, wie etwa paläarktische Käfer (Sammlung des Chemikers und Nobelpreisträgers Carl Bosch) oder Käfer aus Nepal oder von den Kapverden.

 

 

 

 

 

 

P1000014 Herkuleskäferattacus atlas P1000015attacus_atlasDer Herkuleskäfer (dynastes hercules) ist eine Art aus der Familie der Blatthornkäfer. Er ist zusammen mit dem Riesenbockkäfer der größte Käfer weltweit und alleinig der längste Käfer (ca. 17 cm lang, Flügelspannweite 22 cm) der Welt. Die Käfer sind in mehreren Unterarten in der nördlichen Hälfte Südamerikas und in Mittelamerika verbreitet, wo sie Regenwälder bewohnen.

 

 

 

 

Wasserwanzen lethocerus americanus P1000067WasserwanzenDiese Käferart, eine Wasserwanze (lethocerus americanus), trägt die Eier der nächsten Generation auf dem Rücken. Die Körperlänge beträgt 5-6 cm. Die Wanze kommt in Nordamerika bis ins südliche Canada vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20221207 111057Hessen ist seit wenigen Jahren ebenfalls ein Forschungsschwerpunkt. Ein Teil der mitteleuropäischen Käfer wird getrennt aufbewahrt (Mitteleuropa/Hessen-Sammlung) und dient als Vergleichs- und Belegsammlung für die lokale Fauna. In diese Sammlung hatten wir leider keinen Einblick, da im Aufbau befindlich.

Die Sektion Entomologie II bearbeitet als systematischen Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt in erster Linie die Lepidoptera oder Schmetterlinge.

 

 

 

 

Auch für Lepidoptera wird zur Zeit eine Beleg- und Vergleichssammlung für das Bundesland Hessen (in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Lepidopterologen) aufgebaut.

Sind Schmetterlinge Tagfalter, Nachtfalter oder Eulenfalter? „Schmetterlinge“ ist der deutsche Oberbegriff für alle Gruppen der Ordnung Lepidoptera oder Schuppenflügler. „Falter“ ist im Deutschen ein Synonym für Schmetterlinge, wird aber in der Regel nur in Zusammensetzungen (Tagfalter, Nachtfalter, Eulenfalter etc.) gebraucht. „Falter“ wird außerdem benutzt, um das ausgewachsene Entwicklungsstadium in der vollständigen Metamorphose eines Schmetterlings zu benennen (Ei, Raupe, Puppe, Falter). Falter, ist also auch im eingeschränkten Sinn die Imago eines Schmetterlings.

P1000024Archive200 Lepidoptera Schmetterlinge Lepidoptera Schmetterlinge P1000039Archive

 

Es gibt weltweit eine unbekannte Zahl zwischen etwa 150.000 (soviel wie heute beschriebene Arten) und bis zu 1,5 Millionen Arten von Schmetterlingen. Tagfalter machen nur etwa 10–15% aller Schmetterlingsarten aus.

Zwei große Exemplare erregten unser Aufmerksamkeit: der Atlasspinner und das Nachtpfauenauge.

P1000053Atlasspinner 400 Atlasspinner attacus atlasAtlasspinner Der Atlasspinner (attacus atlas) ist der größte Falter der Erde, er gehört zur Familie der Pfauenspinner (saturniidae). Seine Flügelspannweite kann bis zu 22 cm betragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

P1000055 Nachtpfauenauge saturniaNachtpfauenauge mit PuppenP1000056 Nachtpfauenauge saturnia NachtpfauenaugeDieser große Falter aus den tropischen Regionen gehört ebenfalls zur Familie der Pfauenspinner, auch Augenspinner genannt. Sie kommen weltweit in 1.500 Arten vor, in Europa gibt es davon nur 10.

 

 

 

 

 

 

 

 

P1000038 acherontia styx medusa acherontia styx medusa P1000041acherontia styx medusaDer in Asien vorkommende Falter aus der Familie der Schwärmer (acherontia) ist eine Schwesterart des in Afrika vorkommenden Totenkopfschwärmers. Der Name rührt von dem Wort „acheron“ her, einem der fünf Flüsse aus der Unterwelt der griechischen Mythologie. Die Flügelspannweite kann bis zu 13 cm bei den Weibchen betragen, die der Männchen ist um ca 3 cm schmaler. Somit ist der Totenkopfschwärmer der größte Nachtfalter der Erde.

 

 

 

 

 

300 Totenkopfschwärmer acherontia atroposTotenkopfschwärmerTotenkopfschwärmer (acherontia atropos) kommen auch in Europa, vor allem Südeuropa vor. Auf dem Rücken befindet sich die totenkopfähnliche Zeichnung. Sie fliegen als Wanderfalter über die Sommermonate bis nach Nordeuropa.

 

 

 

 

 

 

 

 

P1000003Schoko KäferZuletzt eine ganz besondere Spezies, die wir gerne einmal ausgepackt ( … und vielleicht auch mehr …) hätten. Aber leider waren die süßen Krabbler ja schon archiviert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beeindruckt von dem riesigen Bestand an Objekten und dem Aufwand der Zuordnung bzw. digitalen Erfassung, verließen wir die Sammlungen und konnten noch das Museum selbst besuchen. Hier beeindruckte uns der neue Ausstellungsraum mit dem Korallenriffund dazugehörigen Exponaten aus der Tiefseeforschung. Das Thema ist ein Besuch wert.

Eine kleine Gruppe der Teilnehmer*innen besuchte noch zum Ausklang den Frankfurter Weihnachtsmarkt. So beendeten wir das Exkursionsjahr in kleiner Runde. Dem neuen Jahr sehen wir mit naturorientierten Erwartungen entgegen.

 

Quellen:
Textauszüge: Senckenberg Gesell. f. Naturforschung
Wikipedia